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Überwachung


Bayern plant flächendeckende Überwachung mit Videokameras - "unter einsatztaktischen Gesichtspunkten". 400000 private und öffentliche Überwachungskameras soll es in Deutschland geben. In Bayern wird nun versucht, der Polizei Kontrolle über sämtliche Kontrollressourcen zu geben. Das Datenschutzgesetz schafft hier eine Grauzone - es ist technisch veraltet.

Als im April 1999 die britische TV-Moderatorin Jill Dando vor ihrer Haustür erschossen wurde, hatte das Innenministerium Grund, heimlich zu jubeln. Seit 1995 hatte man landesweit 45 Millionen Pfund in Videoüberwachung investiert. 200000 Kameras soll es in Großbritannien geben. Nun konnte man die Perfektion der Technik vorführen: Die letzten Stunden Dandos wurde nahezu durchgehend auf Video dokumentiert - vom Einkaufsbummel durch die Stadt bis zur Fahrt nach Hause.

Da werden Deutschlands Innenminister und Polizeipräsidenten neidisch. Hierzulande gibt es nach Schätzungen zwar gut 400000 Kameras - allerdings können diese nicht zentral ausgewertet werden. Die Kontrollmonitore verteilen sich auf private Sicherheitsdienste, Polizeizentralen, Verkehrsleitstellen. Noch. Anfang Februar machte die Süddeutsche Zeitung publik, dass das bayerische Innenministerium ein Modellprojekt zur Videoüberwachung in München plant. Von einem ähnlichen Vorhaben in Regensburg hatte man Ende Januar noch nicht einmal den bayerischen Datenschutzbeauftragten Reinhard Vetter informiert - er erfuhr es aus der Tagesordnung des Landtages.

Die Leisetreterei hat guten Grund. In München wird die Polizei auf über 1000 Geräte der Verkehrsbetriebe und Verkehrüberwachung zurückgreifen. Damit kann jetzt schon ein Fußgänger auf den knapp Tausend Metern zwischen dem Münchener Lenbach- und Karlsplatz nahezu nahtlos beobachtet werden. Die Polizei will noch draufsatteln: Sicherheitspartnerschaften mit Geschäftleuten sollen deren Kameras verfügbar machen.

Der Verdacht einer flächendeckenden Überwachung sei da völlig abwegig, versicherte der Sprecher von Innenminister Beckstein Christoph Hillebrand. Was soll er auch tun, Innenminister Beckstein signalisierte bereits vorausschauend, dass eine Ausweitung auf andere Städte "denkbar" sei. Das war dann doch zu viel des Guten. Nachdem ein mittelschwerer Trubel entstanden war, entschloss Beckstein sich Ende März für Schadensbegrenzung. In Regensburg sollten nur sieben "Angsträume" überwacht werden.

Das Dementi ist aber keins - schließlich handelt es sich bei den "Angsträumen" um alle Plätze öffentlichen Lebens des Städtchens. Bahnhofs-, Dom- und allerlei andere Plätze in der Innenstadt werden überwacht. Immerhin sollen Schilder darauf hinweisen.

Für München ist das Dementi nur noch lustig. In seiner Mitteilung behauptet der Innenminister, von einem "flächendeckenden Überwachungsprojekt" könne keine Rede sein. Aber: Einige Kameras der Verkehrsüberwachung könnten "für die Belange der Verbrechensbekämpfung und zur Verhinderung von Sicherheitsstörungen bei Veranstaltungen von Bedeutung sein". Konkreter heißt es dann, das Polizeipräsidium strebe durchaus eine Mitbenutzung der Kameras am Hauptbahnhof und in den U-Bahnhöfen an - "unter einsatztaktischen Gesichtspunkten". Das Olympiastadium werde ohnehin schon "veranstaltungsorientiert" überwacht. Becksteins Dementi erzählt mehr von Überwachung als von allem anderen. Es ist schlicht keines. In Ostdeutschland sind diese Pläne bereits Realität. In Dresden observieren dreizehn Polizisten die Fußgängerzone 16 Stunden täglich. Laut Spiegel sponserte örtliches Kaufhaus die 100000 Mark teure Überwachungsanlage. Wessen Interessen also geschützt werden, ist offensichtlich. In Leipzig ebenso. Hier filmt die Polizei das Zentrum des Stadtteil Connewitz - Hochburg der autonomen Szene.

Datenschützer fürchten diese Konzentration des Zugriffs auf private Beobachtungskameras in staatlicher Hand. Bayerns Datenschützer Vetter warnt vor "einer Summierung einzelner Beobachtungssituationen" die eine Infrastruktur schaffen könnte, die er aus verfassungsrechtlichen Gründen für "unzulässig" hält.

Was erlaubt ist, weiß nicht einmal der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Joachim Jacob. Er warnte schon Mai vergangenen Jahres vor "rechtlichen Grauzonen". Grundsätzlich gilt nach Bundesdatenschutzgesetz: Es darf gesehen, aber nicht aufgezeichnet werden, bis ein konkreter Tatverdacht einer Straftat besteht. Aber der kann schon existieren, wenn an einem Ort ab und an kleine Drogendeals abgewickelt werden - so das Verständnis der Münchener Einsatzabteilung. Der Schleswig-Holsteinische Datenschutzbeauftragte Helmut Bäumler: "Im Polizeirecht hat es in den vergangenen Jahren aus Gründen, die ich jetzt nicht vertiefen kann, eine derartige Aufweichung der gesetzlichen Tatbestände gegeben, das man auf diesem schwankenden Boden rechtstaatliche Pfeiler nur noch schwer verankern kann."

Allein die neue Datenschutzgesetze Brandenburgs und Schleswig-Holsteins regeln die Videoüberwachung explizit. Es darf von öffentlichen und privaten Stellen nur beobachtet werden, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben und der Wahrung ihres Hausrechts erforderlich ist und die Interessen der Betroffenen nicht verletzt werden. Die Frage ist aber, ob es überhaupt Hausrecht sein darf, ungehemmt zu beobachten.

Die übrigen Gesetze thematisieren dies nicht. Vor zehn Jahren konnte man auf den Videoaufnahmen auch kaum Personen identifizieren. Das ist heute kein Problem. Datenschützer wie Bäumler fordern deshalb eine Anpassung an die technischen Möglichkeiten.

Und die entwickeln sich rasant: An der Universität Leeds wird eine Software entwickelt, die automatisch "verdächtiges" von "normalem" Verhalten unterscheiden soll. Einen Dieb erkennt der Computer also schon bevor er klaut - am Gang. "PersonSpotter", ein an der Ruhr- Universität- Bochum und University of Southern California entwickeltes Gesichtserkennungsprogramm vergleicht Videobilder mit einer Datenbank und identifiziert Personen so verlässlich, dass es vom US-Militär bereits ausgezeichnet wurde. Deutsches Sahnehäubchen: eine demographische Analyse der Menschen im Kamerabereich nach Alter, Geschlecht - und sogenannter Rasse.

Weiterführende Informationen


>[Datenschutz in Bayern]

 

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