Um die Unterschiede der Vermarktung und der Spielergruppen von DOOM
und Tombraider analysieren zu können, muß man sich mit der Motivation
und den Absichten der Spieleprogrammierer auseinandersetzen.
Der 3D-Shooter DOOM war ursprünglich das Endprojekt bei der Entwicklung
einer neuen 3D- Engine, die für die damalige Zeit revolutionär
war. Im Vordergrund stand das Vorführen dieser neuen Technik, die
einen Meilenstein in der Geschichte der Computerspiele bedeuten sollte.
Ein Teil des Erfolges lag in der Distribution per Shareware. Ein Drittel
des Spiels gab es umsonst im Internet zum Herunterladen und bestellt wurde
direkt bei id - ohne Zwischenhändler. Weiters wurde ein eigener Level-editor
vertrieben, in dem jeder seine eigenen Levels kreieren konnte.
Die Zielgruppe waren eindeutig Freaks und Jugendliche, die damals schon
einen Computer besaßen. Die Geschichte steht sehr im Hintergrund,
ebenso die verschiedenen Charaktere.
Ganz anders war die Entwicklung von Tombraider. Von der Technik her
gab es eher wenige Neuerungen, dafür stand bei Eidos eine riesige
Marketing- und Merchandising Maschine hinter dem Spiel.
Die Heldin Lara Croft erhält ein unnatürlich weibliches Aussehen,
das den Fantasien einiger Männer entspricht und v.a. bei Jugendlichen
auf große Begeisterung und Gefühlsüberschwang stößt,
bei anderen jedoch auf tiefe Ablehnung. Die Biographie von Lara Croft und
die Geschichte in TombRaider spielt eine zentrale Rolle: Sie beschreibt
die typischen, zentralen Probleme eines heranwachsenden Jugendlichen, die
Loslösung von der Familie, die Suche nach einem Vorbild, problematisiert
das Verhältnis zur elterlichen Autorität.
Diverse Accessoires zu Lara Croft wie Kalender, Actionfiguren, Auftritte
in Musikvideos und Werbespots, Rucksäcke, Handtücher, Bettwäsche,
Essensbox, Armbanduhren, Wecker, Hosen, Patschen, Puzzles, Screensavers,
T-Shirts etc. verkaufen sich ebenso wie die nur minimal veränderten
Nachfolger 2 bis 4 wie die sprichwörtlichen "warmen Semmeln". Für
die weiblichen Fans gibt es zwei Mal jährlich ein
>[Lara-Croft-Competition
Camp], wo man seine besten Bilder im Lara-Croft-style einschicken kann.
Die Gewinnerin wird das neue Lara Croft Model. Alle anderen Fans, die nicht
wie Lara aussehen können, dürfen einen eigenen Charakter (Freund/Feind)
wählen, zu dem sie auch eine Charakterisierung schreiben müssen.
Da sexy Aussehen macht sich auch in den rankings von den "game-babes"
bemerkbar: Lara Croft hat einen fixen Platz unter den Top10 und wird umrandet
von diversen
>[Liebesgedichten
und Leidenschaftserklärungen].
Beide Spiele sind Kult, aber das kann nicht genug betont werden
aus ganz anderen Gründen. Niemand wird auf die Idee kommen, dem Hauptakteur
von Doom die Rolle eines virtuellen Stars zuzusprechen. Niemand wird sich
ernsthaft Gedanken über eine Hintergrundgeschichte für Doom machen.
Bei Doom ist das Spiel an sich der Kult, die Technik und ebenfalls ein
wichtiger Unterschied
zu
Tomb Raider jene Leute, die diese Technik ermöglichten. Romero,
Carmack (zwei der Designer von id-Software)... klingende Namen in den Ohren
von Freaks. Wie heißen die Designer von Tomb Raider IV? Genau genommen
egal, denn ohne ihre Leistung schmälern zu wollen kein Freak,
aber auch sonst niemand wird Ihnen Kultstatus zusprechen. Auch die Spielereihe
von Tomb Raider hat nicht wirklich Kultstatus (am ehesten vielleicht noch
der erste Teil, weil damit der Mythos Lara Croft geboren wurde); Den genießt
einzig und allein die vielfach zitierte Hauptdarstellerin Lara Croft selbst.
So unterschiedlich der "Kult" bei beiden Spielen ist, so unterschiedlich
ist auch das Zielpublikum: Prinzipiell lässt sich sagen, dass TombRaider
auf eine ganz andere Zielgruppe als Doom anvisiert. Die damaligen Fans
von Doom gehören eher den
>[Lara-Hassern]
an, die auch ihre
>[(schlechte) Meinung]
im Netz veröffentlichen.
Was ist nun genau die Zielgruppe jedes der beiden Spiele? Doom wurde
vereinfacht gesagt von Freaks für Freaks geschrieben. Natürlich,
es bedurfte keiner Programmierkenntnis, um es spielen zu können und
es wurde auch nicht ausdrücklich verboten, es vor Einbruch der Dunkelheit
zu spielen (was ja bekanntlich für echte Computerfreaks erst jene
Zeit ist, an welcher der Tag so richtig beginnt), aber doch waren die Zielgruppe
vorwiegend Leute, welche die Leistung der Grafikengine zu würdigen
wussten und sich nicht vom vielen Blut abschrecken ließen. Zudem
war es seitens des Herstellers ausdrücklich erwünscht, selbst
kreativ zu werden und beispielsweise neue Levels zu gestalten, Sounds auszuwechseln,
etc. Somit belief sich die Zielgruppe auf vorwiegend Jugendliche, die sich
verhältnismäßig gut mit dem Computer auskennen. Tomb Raider
IV zielt hingegen darauf ab, den Hype rund um Lara Croft zu verlängern
und ihm neuen Nährboden zu geben. Ziel des Spiels ist es für
den Hersteller, möglichst viel Kapital aus dem Mythos Lara Croft zu
schlagen, weswegen Freaks die ja wie schon erwähnt eher zu den Lara
Hassern zählen definitiv nicht als Zielgruppe anvisiert waren, da
diese eher dazu tendieren, Spiele zu kopieren, als sie zu kaufen. Die Zielgruppe
waren alle, die schon jetzt von Lara Croft begeistert sind und jene, die
sich eventuell noch begeistern lassen. Dazu zählen vor allem männliche
Anwender, also Leute, die den Computer zwar verwenden, aber man doch nicht
als Freaks bezeichnen kann. Letztere lehnen die Tomb Raider Reihe sicher
nicht zuletzt genau wegen des Kommerzgedankens des Herstellers ab.
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